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Geestländer Praxis in Sorge- und Umgangsstreitigkeiten – Beitrag der Familienrichter und –richterinnen des Amtsgerichts Langen

Dass die Kinder unter der Trennung ihrer Eltern so wenig wie möglich leiden sollen, nehmen sich wohl alle Eltern in einer derartigen Situation vor. Und auch wenn es die meisten Eltern schaffen, die bei einer Trennung und Scheidung anstehenden Fragen der elterlichen Sorge und des Umgangs einvernehmlich zu regeln, gibt es nicht wenige Fälle, in denen dies nicht auf Anhieb gelingt.

Nicht selten wird versucht mit der Begründung, die Kinder müssten "erst einmal zur Ruhe kommen“, den anderen Elternteil aus der Erziehung des Kindes auszugrenzen, ihn aus dem Leben der Kinder herauszudrängen, Besuchskontakte einschlafen zu lassen. Kinder haben aber auch nach der Trennung ein Recht auf beide Elternteile. Zum Wohl des Kindes gehört dabei gemäß § 1626 Abs. 3 BGB in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Den Eltern wird außerdem durch das Gesetz auferlegt, sich bei Meinungsverschiedenheiten in der Ausübung der elterlichen Sorge zu einigen (§ 1627 BGB). Streit zwischen ihren Eltern ist für Kinder regelmäßig die größte Belastung.

Mit dem Schlagwort „Geestländer Praxis in Sorge- und Umgangsstreitigkeiten“ wird die Zusammenarbeit der verschiedenen Professionen und Institutionen (Erziehungsberatungsstelle und Allgemeiner Sozialer Dienst des Jugendamtes, freie Träger der Kinder- und Jugendhilfe, Anwaltschaft, Verfahrensbeistände, Sachverständige, Familiengericht) bezeichnet, um in derartigen Konfliktfällen zu sachgerechten Lösungen zu kommen, bei denen nicht das „Gewinnen“ oder „Verlieren“ im Vordergrund steht, sondern die Stärkung der gemeinsamen Elternverantwortung im Interesse des Kindeswohls.

Das seit 2009 geltende Verfahrensrecht (FamFG) setzt dabei schon vieles um, was für eine rasche und kindeswohlorientierte Lösung wichtig erscheint:

  • ein schneller erster Termin binnen eines Monats nach Verfahrensbeginn (Vorrang- und Beschleunigungsgebot),
  • die regelmäßige Bestellung eines „Kinderanwalts“ (Verfahrensbeistand) zur Wahrnehmung der Interessen der beteiligten Kinder,
  • das Hinwirken auf einvernehmliche Lösungen in jeder Lage des Verfahrens, sofern sie nicht dem Kindeswohl widersprechen,
  • die persönliche Anhörung der Kinder und ihrer Eltern,
  • die Möglichkeit des Gerichts, eine Beratung durch die Erziehungsberatungsstellen anzuordnen.

Zusätzlich wirken alle beteiligten Professionen bei der weiteren Gestaltung des Verfahrens daran mit, eine Eskalation zu vermeiden und kindeswohlgerechte Lösungen des Elternkonfliktes auszuloten:

  • Schriftsätze in Sorge- und Umgangsstreitigkeiten beschränken sich auf den notwendigen Inhalt. Es wird keine „schmutzige Wäsche“ gewaschen.
  • Die Anwälte weisen die Eltern darauf hin, dass sie auch schon vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens die Hilfe der Erziehungsberatungsstellen und des Allgemeinen Sozialen Dienstes des Jugendamtes in Anspruch nehmen können.
  • Der Allgemeine Soziale Dienst des Jugendamtes und der Verfahrensbeistand erstatten ihre Berichte in der Regel erst im gerichtlichen Termin.
  • Kommt es im ersten Termin nicht zu einer einvernehmlichen Lösung, sollen die Hilfs- und Beratungsmöglichkeiten der Erziehungsberatungsstellen und/oder des Allgemeinen Sozialen Dienstes des Jugendamtes (erneut) in Anspruch genommen werden, bevor das Gericht eine Entscheidung trifft.
  • Falls es zur Einholung eines Sachverständigengutachtens kommt, arbeitet auch der Sachverständige in seiner Begutachtung lösungsorientiert.

Die Geestländer Praxis in Sorge- und Umgangsstreitigkeiten will dabei immer den Besonderheiten des Einzelfalls gerecht werden und wird ständig in Arbeitskreis-Treffen der beteiligten Professionen auf den Prüfstand gestellt und weiterentwickelt.