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Erster Fachtag des Landkreises zum Thema »Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in der Jugendarbeit«
Organisiert wurde der Fachtag zum Thema „Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in der Jugendarbeit“ vom Bereich Familie des Landkreises Cuxhaven, in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Loxstedt. Die Veranstaltung war ein erster Auftakt. Ein weiterer Austausch und anschließende Projekte, um Schutzräume zu schaffen, in denen sich Jugendliche im Cuxland frei entfalten können, sollen folgen.
Der Fachtag, der kürzlich in der Gemeinde Loxstedt stattfand, wurde von Paula Grell, Jette Vetter und Natalie Schellong aus dem Bereich Familie des Landkreises Cuxhaven, in Zusammenarbeit mit Ulrike Meinhardt von der Gemeinde Loxstedt organisiert. Der Fachvortrag richtete sich an alle hauptberuflich und ehrenamtlich in der Jugendarbeit tätigen Personen, die Interesse an einem Austausch haben, um Unsicherheiten abzulegen und dieses wichtige Thema sichtbarer zu machen. Durch den Fachtag führten die Referentinnen Johanna Lindhorst und Lena Withot vom Oldenburger Mädchenhaus e.V..
Landrat Thorsten Krüger begrüßte die über 70 anwesenden haupt- und ehrenamtlich in der Jugendarbeit tätigen Personen sowie Verwaltungsmitarbeitende. „Es freut mich, dass so viele Interessierte unserer Einladung zu diesem wichtigen Fachtag gefolgt sind, um sich zu informieren und auszutauschen. Menschen sind unterschiedlich und von dieser Vielfalt lebt unsere Demokratie im Cuxland“, so der Landrat. Detlef Wellbrock, Bürgermeister der Gemeinde Loxstedt, schloss sich der Begrüßung an. „Alle, die heute hier anwesend sind, können als Multiplikatoren im ganzen Landkreis fungieren“, so Wellbrock und er fügte hinzu: „Dieses Thema ist wichtig und soll außer in der Jugendarbeit auch in unseren Schulen Einzug finden. Denn gegenseitige Anerkennung, Wertschätzung und Respekt sind Teil unserer Demokratie und einer bunten Gesellschaft.“
Durch den Fachtag führten die Referentinnen Johanna Lindhorst, Pädagogin, und Lena Withot, Öffentlichkeitsreferentin, vom Projekt »Queer & Anders: Medien, Körper, Mädchen*sein« des Mädchenhauses Oldenburg e.V., welche bereits jahrelange Erfahrung bei der Arbeit zu dem Thema sammeln konnten. Das Projekt wird vom Land Niedersachsen gefördert und unterhält einen Queeren Mädchen*Treff sowie Workshops, Fachkräfte-Fortbildungen und Austauschabende für Angehörige.
Was bedeutet queer? Als „queer“ werden Menschen bezeichnet, deren geschlechtliche Identität und/oder sexuelle Orientierung nicht der zweigeschlechtlichen (Mann und Frau) und/oder der heterosexuellen Norm entspricht. Das Wort „queer“ kommt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie „seltsam“ oder „eigenartig“.
Die Norm erhält sich dadurch, dass alle mitmachen
Lena Withot zeigte den Anwesenden zunächst in einem Impulsvortrag die Verflechtungen von (Hetero )Sexismus, sozialer Ungleichheit und Queerfeindlichkeit auf. Außerdem erklärte sie, dass Geschlechter- und Sexualnormen historisch und gesellschaftlich gewachsen sind. Ein Geschlecht entsteht durch Darstellung und Wahrnehmung. Jedes Individuum codiert den eigenen Körper und wird von anderen Individuen dekodiert. Dazu müssen sich alle Individuen in Bezug setzen – entspricht jemand nicht der Norm, wird diese Person sanktioniert. Die vermeintlich Abweichenden werden zu Anderen gemacht. Dies ist nicht natürlich, sondern ein gesellschaftlicher Prozess. Um die Prozesse hinter der Normalisierung zu erkennen, gilt es die Norm in den Blick zu nehmen und diese zu analysieren. Im Rahmen eines Quizes und einer Übung konnten die Anwesenden sich mit dem Thema Geschlechter- und Sexualnormen auseinandersetzten und sich die eigenen bestehenden Normen bewusst machen. Ein wichtiger Schritt für eine queersensible pädagogische Haltung.
Withot und Lindhorst beschwerten, dass im Fokus einer geschlechtersensiblen Jugendarbeit die Analyse von Heteronormen im Fokus stehen sollte. Dabei sei eine pädagogische Haltung, die sich generell lebensweltorientiert und im Schulterschluss mit den Personen befinden soll, welche als anders wahrgenommen werden, besonders wichtig. Zu bedenken ist, dass verschiedene Diskriminierungsgründe zusammenkommen und sich dadurch wechselseitig verstärken können (z,B, queere Person mit Behinderung).
Ein weiterer Programmpunkt war die Auseinandersetzung mit Anti-Genderismus in der Jugendarbeit. Hierbei wurden Herausforderungen für Fachkräfte thematisiert, etwa der punktuell gesellschaftliche Widerstand gegen Gender- und Diversitätsthemen über den vermeintlichen „Schutz der Kinder“. Es wurde deutlich, dass ein selbstbestimmter und selbstbewusster Umgang mit der eigenen Sexualität und Körperlichkeit Wissen um Körper- und Sexualnormen voraussetzt, auch schon im Kindesalter. Ebenso wurde der gesetzliche Auftrag zur diskriminierungssensiblen Jugendarbeit beleuchtet. Johanna Lindhorst und Lena Withot veranschaulichten anhand von Praxisbeispielen, wie queersensible Workshops und Angebote erfolgreich umgesetzt werden können.
Zuletzt entwickelten die Teilnehmenden in Kleingruppen Ideen für eine diversitätsbewusste Ausrichtung ihren Einrichtungen. Durch kreative Ansätze und einen intensiven Austausch entstanden konkrete Impulse, die in die praktische Arbeit einfließen können. Zum Abschluss des Fachtags wurden die Ergebnisse der Gruppen gesammelt und diskutiert.
Ein Save-Space für alle Jugendlichen
So wie viele Menschen, die nicht der derzeitigen gesellschaftlichen Norm entsprechen, erleben queere Jugendliche Ablehnung oder Diskriminierung und sind häufig auf sich allein gestellt. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass sie Orte haben, an denen sie sich sicher und akzeptiert fühlen. Einen sogenannten „Save-Space“. Einigkeit bestand darin, dass queersensible Jugendarbeit kein Zusatzangebot sein darf, sondern als selbstverständlicher Bestandteil einer professionellen pädagogischen Haltung verankert werden muss.
Die Veranstaltung zeigte eindrucksvoll, wie wichtig Räume sind, in denen Fachkräfte sich vernetzen, weiterbilden und gemeinsam Strategien für eine inklusive Jugendarbeit entwickeln können. Ein Tipp aus dem Fachtag: Jeder Mensch kann seine Normalität betrachten, die gelebten Vorurteile wahrnehmen und so die Handlungsweisen überdenken und verändern.
„Der stattgefundene Fachtag machte das große Interesse bezüglich dieses Themas bei Fachleuten aus dem ganzen Cuxland deutlich“, so Paula Grell. Es konnte mitgenommen werden, wie queere Jugendliche besser unterstützt und gestärkt werden können. „Durch den Austausch beim Fachtag und mit denen dort entwickelten Ideen erfahren wir, wie wir sichere Räume schaffen und den Jugendlichen Mut geben können, sie selbst zu sein“, so Jette Vetter. Den beiden Leiterinnen der Mädchen*- und Jungen*gruppe der Beratungsstelle des Landkreises ist außerdem die Bereitstellung von Informationen und Beratung der Jugendlichen und Eltern ein besonderes Anliegen.
Jugend- und Selbsthilfegruppen im Landkreis Cuxhaven
Um Personen, die nicht der derzeit geltenden Norm entsprechen, einen sicheren Ort zu bieten, an dem sie sich informieren und austauschen können, gibt es bereits einige Angebote im Landkreis Cuxhaven.
In der Beratungsstelle Otterndorf treffen sich alle zwei Wochen eine Mädchen*- und eine
Jungen*gruppe mit Jugendlichen im Alter ab 13 Jahren. Die Jugendlichen aber auch Eltern können sich bezüglich weiterer Informationen bei der Beratungsstelle des Landkreises per Telefon unter 04751 978770 oder per E-Mail an beratungsstelle@landkreis-cuxhaven.de melden. Für interessierte Jugendliche besteht außerdem die Möglichkeit, sich anonym über Whatsapp unter der 0162 2764738 bei den Kolleginnen der Beratungsstelle zu informieren.
Die Jugendpflege der Gemeinde Loxstedt bietet eine Queere Jugendgruppe an. Informationen dazu, wo und wann die Treffen stattfinden, können über die Gemeinde Loxstedt oder über das Instagram-Profil der Jugendgruppe queer_corner.loxstedt erhalten werden.
Eine Selbsthilfegruppe für Transgender besteht in Cuxhaven. Mehr Infos zu dieser sind auf der Homepage Akzep-Trans Cuxhaven - Selbsthilfegruppe von und für Transgender zu finden.