Seiteninhalt

Pressearchiv

10.11.2004

Verunsicherung von Eltern durch das Verschwinden von Kindern

Wenn Kinder entführt werden und Opfer werden, wenn sehr viele Kinder in den vergangenen Wochen mit dem erschreckenden Geschehen des Verschwindens eines Kindes
- praktisch vor der Haustür - über Fernsehbilder, Radio oder Zeitung sowie über Gespräche der Erwachsenen konfrontiert werden, dann haben sie Informationen aufgenommen und Bilder gesehen, die bedrohlich für sie sind. Dadurch kann ihr Vertrauen in den Schutz durch Erwachsene geschmälert werden. Eine bei vielen Kindern vorhandene natürliche Sicherheit kann in Frage gestellt sein.

Wie können und wie sollen Eltern und andere Erwachsene damit umgehen?

Man muss davon ausgehen, dass viele Kinder von dem Geschehnis berührt sind. Es ist wichtig, mit ihnen darüber zu reden, was passiert ist. Es ist wichtig, sie nicht allein zu lassen mit ihrer Betroffenheit und ihren Ängsten. Dabei sollen Erwachsene nicht dozieren und ihre Sicht und Mutmaßungen darstellen, sondern auf das eingehen, was die Fragen und Anliegen der Kinder sind.

Grundsätzlich ist es wichtig, anwesend zu sein, wenn Kinder Fernsehbilder aufnehmen oder sich auf andere Weise informieren. Eltern, die gemeinsam mit ihren Kindern die gezeigten Informationen aufnehmen, vermitteln ihren Kindern die Erfahrung, dass sie nicht allein sind und sich ausgeliefert fühlen, wenn sie ihre eigenen, manchmal auch panischen Vorstellungen entwickeln.
Auch andere Ausdrucksformen – Spielen, Malen, Rollenspiele – können Kindern helfen, Erlebtes zu verarbeiten und besser mit ihren Ängsten umzugehen. Diese Ausdrucksformen sollten von Erwachsenen nicht verboten und bewertet, sondern angenommen und verstanden werden.
Die Sicherheit, dass Kindern nicht wieder Schlimmes passiert, kann ehrlicherweise nicht vermittelt werden. Doch es kann ihnen durchaus vermittelt werden, dass sie nicht allein sind und dass die Eltern, die Erwachsenen alles für sie tun werden, um sie zu schützen. Erwachsene sollten nicht bagatellisieren oder den Kindern sagen: „Du brauchst keine Angst zu haben!“. Kinder haben ein Gespür dafür, wenn das, was ihnen gesagt wird, nicht mit der wahren Überzeugung ihres Gesprächspartners bzw. ihrer Eltern übereinstimmt. Durch solche Widersprüche würden sie nur noch mehr verunsichert.

Eltern sollten genauso viel antworten, wie das Kind fragt. Wenn das Kind nach einer Antwort mehr wissen will, fragt es weiter. Wenn es nicht weiter fragt, ist die Antwort für den Moment ausreichend. Mehr könnte das Kind im Moment wahrscheinlich nicht verkraften. Eltern sollten dem Kind zeigen, dass sie bereit sind, mit ihnen über dieses schwierige Thema zu sprechen.
Das Verschwinden von Kindern verunsichert auch Eltern in ihrem Erziehungshandeln und macht sie zunehmend besorgt. Sie fragen sich, wie sie mit dieser Situation umgehen sollen. Lassen sie Freiräume zu, die von der Entwicklung der Kinder her üblicherweise zugestanden werden, geraten sie leicht in Kritik von besorgten Menschen im Umfeld und bekommen zum Teil sogar Gleichgültigkeit vorgehalten. Andererseits kann es durchaus passieren, dass ihnen übertriebene Fürsorge und Einengung vorgehalten wird, und das nicht zuletzt von den Kindern und Jugendlichen selbst, wenn sie die Freiheitsspielräume der Kinder aus Sorge begrenzen.
Unter den gegebenen Umständen ist es nicht einfach, die richtige Balance zwischen Fürsorge (der Eltern) und Selbständigkeit (der Kinder) zu finden. Zuversicht und Selbstbewusstsein der Kinder sind grundsätzlich der beste Schutz gegen Übergriffe von außen. Außerdem können Eltern abwägen, welche Kompromisse sie eingehen können bzw. welche Sicherungen zusätzlich erforderlich sind. Für die spezifische Situation sowie nach Entwicklungsstand und Persönlichkeit der Kinder sind jeweils geeignete Vorgehensweisen zu finden, die Eltern verantworten und auch aushalten können. Ein Patentrezept gibt es nicht angesichts der beunruhigenden sowie zeitlich und räumlich nahen Ereignisse. Gespräche mit anderen Eltern, mit Freunden sowie mit Fachleuten können zur Entlastung und zur Sicherheit beitragen.
Der Landkreis Cuxhaven, Amt Jugendhilfe, will Eltern nicht allein lassen und Kinder nicht ihren Ängsten ausgeliefert lassen. Betroffene Eltern und Kinder finden Rat und Unterstützung in den Jugendhilfestationen sowie in den Beratungsstellen für Kinder Jugendliche und Eltern des Landkreises Cuxhaven.