Seiteninhalt

Mit Jugendlichen reden

7-Punkte-Programm, um ein Gespräch mit Kindern und Jugendlichen zu führen

Für ein gutes, sinnvolles Gespräch sind sowohl der Inhalt als auch die Form maßgeblich. Einige Vorgehensweisen haben sich dabei besonders bewährt:

  1. Zeit haben
    Notwendig ist eine Gesprächsatmosphäre außerhalb von Konflikten. Ein Zeitpunkt ohne Stress, zu dem unbefangener Kontakt möglich ist. Bewährt sind ritualisierte Verabredungen à la „Familienkonferenz“. Spontane ad hoc Einladungen zu Klärung von belastenden Erfahrungen sind aber auch empfehlenswert.

  2. Das Gespräch einleiten
    Die Beobachtung der Körpersprache, die Angst oder Aggression, schlechte Laune, Anspannung oder Niedergeschlagenheit ausdrückt, sollte nicht unterbewertet werden. Eine angemessene Reaktion auf die Stimmung von Jugendlichen kann eine gute Hilfe für den Beginn eines Gesprächs sein.
    Jugendliche fühlen sich leicht in Frage gestellt, wollen sich nichts anmerken lassen, schämen sich vielleicht , wollen auf keinen Fall um Hilfe bitten oder fühlen sich vielleicht ungeschickt. Daher brauchen sie viel Ermutigung, ihre Situation, ihre Gedanken und Gefühle dazu anzusprechen.

    Beispiele für Gesprächsermutigungen:
    • „Du siehst heute so müde aus, war es anstrengend in der Schule?“
    • „Ich habe über Deine Sache mit ... nachgedacht.”
    • „Ich frage mich, ob es Dir besser geht oder ob Du Dich noch genauso ärgerst wie ...”
    • „Ich war in der letzten Zeit nicht besonders ansprechbar, weil... Mir ist aber aufgefallen, dass irgend etwas nicht in Ordnung ist..”
    • „Ich frage Dich dass, weil Du mir in letzter Zeit so glücklich erscheinst.“
    • „Darf ich Dich einmal etwas fragen?“

  3. Gefühle und persönliche Erfahrungen der Jugendlichen widerspiegeln
    Es geht darum, zu überprüfen, ob man das Problem wirklich verstanden hat. So wird ein oberflächliches Urteil mit Missverständnissen vermieden. Die Wiederholung des Problems oder der Gefühle in eigenen Worten zeigt dem/ der Jugendlichen, dass versucht wird ihn/ sie wirklich zu verstehen.

    Beispiele für die Widerspiegelung:
    • „Habe ich Dich jetzt richtig verstanden, dass...“
    • „Also, zuerst ist ... passiert und dann folgte ... Ist das so richtig?“
    • „Ich erinnere mich. Letztes Jahr erging es Dir genauso. Oder liege ich damit falsch?“
    • „Ich verstehe, dass Du verletzt bist. Gestern hat Papa sich so über Dich geärgert, und das war nicht das erste Mal. Aber das kann ja nicht alles sein. Du hast so reagiert, weil... ?”

  4. Verständnis zeigen
    Verständnis bezieht sich nicht auf Mitleid und auch nicht auf Sympathiebekundungen. Es geht um einfühlsame Reaktionen auf typische Probleme von Jugendlichen.

    Beispiele für Reaktionen:
    • „Der Streit in der Schule muss ja ziemlich schlimm gewesen sein!”
    • „Ich kann gut verstehen, dass Du deswegen wütend bist!”
    • „Ich kann mir gut vorstellen, dass Du ein schlechtes Gewissen hast, dass das rausgekommen ist. Solche Situationen sind wirklich schwierig!”
    • „Mir würde es möglicherweise auch schlecht gehen, wenn ich das gleiche erlebt hätte wie Du!”

  5. Die eigene Position zeigen
    Eltern, Erwachsene können sich wünschen, dass Jugendliche ihre Probleme selbst lösen. Dazu müssen sie Jugendliche ermutigen, selbst nachzudenken, wenn sie in Schwierigkeiten sind und aufzeigen, wie sie selbst, die Eltern, die Erwachsenen mit Schwierigkeiten fertig werden. Kompetente Eltern haben kompetente Kinder!

    Beispiele für Lösungsvorschläge:
    • „Das ist wirklich eine schwierige Situation. Ich bin überzeugt, dass Du sie meistern wirst.
    • Hast Du schon mal über diese Lösung nachgedacht: ...?“
    • „So ist es mir auch einmal ergangen. Damals konnte ich es ändern indem... Meinst Du das könnte Dir auch helfen?“
    • „Diese Fragen kann Dir ... beantworten.“

  6. (Relative) Gleichberechtigung:
    Der immer wieder gern genommene Ausspruch “Hört auf, mich wie ein Kleinkind zu behandeln!” ist die Reaktion auf das Gefühl der Abhängigkeit und Unterlegenheit gegenüber den Eltern. Jemandem der nun einmal auch gerne erwachsen werden möchte, passt es natürlich überhaupt nicht, wenn die, die als erwachsen gelten mit ihrem Tonfall immer wieder zeigen wie überlegen sie doch eigentlich sind.

    Also nicht: „Ohne Hausaufgaben darfst Du nicht in den Jugendraum. Du bleibst zu Hause, bis sie fertig sind!”
    Besser: „Ich mache mir Sorgen, dass Du noch schlechter in Englisch wirst, wenn Du Deine Hausaufgaben nicht in Ruhe machst. Wenn es Dir so wichtig ist sofort wegzugehen, dann wäre es schön, wenn Du früh genug wieder zu Hause bist, um sie noch zu machen. 18 Uhr! In Ordnung?“

  7. Selbstreflexion
    Bei vielen Problemen ist es sinnvoll, wenn Eltern, Erwachsene auch einmal Fragen an sich selbst stellen::
    • „Was will ich eigentlich?”
    • „Wie fühle ich mich dabei?”
    • „Erwarte ich zuviel?”
    • „Warum verhält sich der Jugendliche so?”
    • „Will sich der/die Jugendliche nur vor irgendetwas schützen?”
    • „Fühlt sich er/sie sich vielleicht unsicher und zu wenig anerkannt?”
    • „Wie glaubhaft und überzeugend bin ich als Erwachsener selbst?”
    • „Würde ich an seiner/ ihrer Stelle mit mir reden wollen?”


    Ein gutes, sinnvolles Gespräch bleibt in der Jugendzeit, was es in der Kindheit war: eines der wirksamsten Mittel, das Eltern haben, um ihren Sohn, ihre Tochter im Alltag zu ermutigen und zu unterstützen.

    Literatur:

    Siegler, Ava: Gemeinsam die Adoleszenz bewältigen. Beltz Verlag, Weinheim 2003

    Perrez, Meinrad/ Minsel, Beate/ Wimmer, Heinz: Was Eltern wissen sollten – Eine psychologische Schule für Eltern, Lehrer und Erzieher. Otto Müller Verlag, Salzburg 1985

    Liebich, Daniela: Mit Kindern richtig reden – Wirksam erzählen, ermahnen, erklären. Verlag Herder, Freiburg 1996