Pflegekinderdienst - Erfahrungsberichte
Erfahrungsbericht 2: »Können wir den Kleinen denn nicht nehmen?«
2007 veränderte sich unser Familienleben auf zauberhafte Weise. Aber ich greife zu weit vor. Wie es dazu kam, erzähle ich kurz. Ein Jahr zuvor:
Wir hörten von einer Familie, die im Begriff waren auszuwandern. Von einigen Dingen Wollten Sie sich noch trennen. Mein Mann, damals 47 Jahre alt und mein Sohn 16 Jahre, fuhren hin um dort etwas abzuholen. Nachdem sie geklingelt hatten, öffnete ihnen ein kleiner Junge, etwa 4-5 Jahre alt, die Tür. Er schaute sie an und sagte: „Wir fahren nach Amerika.“ Es erschien ein Mann, er schob den Jungen zur Seite und sagte: „Du nicht, du bist ein Pflegekind.“ Als meine Männer wieder zu Hause ankamen, war mein Sohn so aufgewühlt, dass er Monate von nichts anderem mehr sprach, außer von dem kleinen Jungen.
„Können wir den Kleinen denn nicht nehmen?“, war die häufigste Frage.
Oder: „Was wird mit dem Kleinen? Wo kommt er jetzt hin?“ Wir sprachen sehr viel über kleine Menschen, die ihr zu Hause aus unterschiedlichen Gründen verlieren und dann irgendwo untergebracht werden müssen.
In uns reifte immer mehr der Wunsch, vielleicht so einem Kind ein liebevolles zu Hause zu schenken. Unsere beiden Kinder waren nun schon in dem Alter wo sie uns nicht mehr so ganz viel brauchten. Unsere Große stand schon auf eigenen Beinen und hatte ihre erste eigene Wohnung. Nun hatten wir nicht nur Platz, sondern auch noch ganz viel Liebe zu schenken.
Aber waren wir mit 47 und 43 Jahren nicht schon zu alt?
Wir riefen beim Pflegekinderdienst in Cuxhaven an und vereinbarten einen Termin, für ein Gespräch. Sämtliche Fragen von unserer Seite wurden beantwortet und die letzten kleinen Zweifel verschwanden. Wir stellten uns zur Verfügung. Ein dreitägiges Seminar, welches uns auf Kinder mit Vergangenheit vorbereitete, war der Anfang. Dann ging alles schnell.
Es gab da ein kleines, vier Monate altes Mädchen welches ein neues zu Hause brauchte. Ich besuchte die Kleine bei einer Familie, die Kinder bei sich aufnimmt, für die erst eine passende Familie gefunden werden muss. Ich habe mich sofort in die kleine Maus verliebt. Dem Rest meiner Familie ging es genauso. Sie kam zu uns nach Hause und gehörte ab da zu uns.
Kontakt zu ihrer Herkunftsfamilie gab es von Anfang an. Der gestaltete sich nicht immer einfach. Sie kam oft verstört wieder und es bedurfte viel Liebe und Zuwendung, um ihr zu zeigen: Alles ist gut. Bis heute sieht sie ihre Herkunftsfamilie in regelmäßigen Abständen.
Dann stellten wir fest, da ist immer noch viel Liebe in uns und wir könnten uns vorstellen, noch ein Kind aufzunehmen. Nachdem wir mit der für uns zuständigen Sachbearbeiterin darüber gesprochen hatten, dauerte es bis Mai 2011 und wir lernten einen sieben Monate alten Jungen kennen. Der kleine Mann hatte die traurigsten Augen, die ich jemals gesehen hatte. Er hatte schon viel Schlimmes erlebt. Kontakt zu seiner Herkunftsfamilie findet bis heute nicht statt.
Beide wissen: Sie haben eine Bauchmama (die Herkunftsfamilie) und eine Herzmama (das bin ich, bzw. Wir). Wir haben nie in dem Gedanken gedacht oder gesprochen, das sind unsere Pflegekinder. Die Zwei gehören genauso zu uns wie die beiden Großen.
Es ist allerdings auch so und da muss man ganz ehrlich sein, es gibt auch Probleme und Schwierigkeiten. Oftmals haben die Kinder schwerwiegendes erlebt, welches sie ihr ganzes Leben begleitet.
Aber man ist nicht alleine!
Egal wo es in unserer Familie Schwierigkeiten gab oder gibt, unsere Sachbearbeiterin hat uns immer, sei es in familiären, schulischen oder sonst welchen Problemen immer zur Seite gestanden. Es gibt viele Institutionen, die man sich ins Boot holen kann. Es wirkt dann wie ein Netzwerk und man ist nicht alleine und fühlt sich nicht alleine.
Wir haben zwei zauberhafte Kinder bei uns aufgenommen, die wir aus vollem Herzen lieben und die uns unglaublich viel Liebe zurückgeben.
Wären wir nicht schon in diesem fortgeschrittenen Alter... Ich denke, dann wären wir nicht abgeneigt unsere Liebe noch einmal zu verschenken.
P.S.: Unsere Sachbearbeiterin ließ uns wissen, dass der kleine Junge, der für uns praktisch der Auslöser war, uns als Pflegeeltern zur Verfügung zu stellen, eine liebevolle Familie gefunden hatte, die ihn aufgenommen hat.